Schätzungen zufolge dürften mehrere 10.000 Geschädigte in Deutschland einen Betrag im zwei- bis dreistelligen Millionenbereich verloren haben, andere Schätzungen gehen sogar von bis zu 1 Milliarde € Schadenssumme aus. Was können Geschädigte nun tun, um ihren Schaden zu kompensieren?

Es zeigt sich immer deutlicher, dass zahlreiche Geschädigte der Pleite nicht ordnungsgemäß über die Risiken mit der Anlage aufgeklärt wurden:

Die Anlageberatung/vermittlung hat anleger- und anlagegerecht zu erfolgen, hierfür bestehen bei vielen Geschädigten im Fall Lehman Brothers erhebliche Zweifel. Die empfohlene Anlage muss unter Berücksichtigung des Ziels auf die persönlichen Verhältnisse des Anlageinteressenten zugeschnitten, also anlegergerecht sein. In Bezug auf das Anlageobjekt hat sich die Beratung auf diejenigen Eigenschaften und Risiken zu beziehen, die für die jeweilige Anlageentscheidung wesentliche Bedeutung haben oder haben können.

Die Beratung hat sich u.a. daran auszurichten, ob das beabsichtigte Anlagegeschäft der sicheren Geldanlage dienen soll oder spekulativen Charakter hat. „Im Fall der Lehman-Brothers-Zertifikate sollte die Anlage oftmals nur der sicheren Geldanlage dienen,“ so Rechtsanwalt Dr. Späth. Einem konservativen Anleger ohne Fachwissen dürfen dabei jedoch nur Anlagen empfohlen werden, bei denen Risiken weitgehend ausgeschlossen sind; bei einer Anlage zur Alterssicherung darf der Anlageberater/-vermittler z.B. keine spekulative Anlage empfehlen (Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 48 m.w.N.). Risiken darf er nicht abschwächen oder anders darstellen, als in den Unterlagen des Kapitalsuchenden (also Lehman-Brothers) dargestellt (Palandt-Heinrichs, § 280 Rn. 52 m.w.N.).

Bei privaten Anleihen gehört dazu auch die eigene Unterrichtung über die für die Beurteilung des Risikos wesentliche Bonität des Emittenten (KG KG-Report 2000, 191, 192).

Grundsätzlich gilt dabei auch: Der Anleger ist nicht verpflichtet, vom Vermittler bereits erlangte Informationen über die Anlage auf Richtigkeit zu überprüfen, um eventuelle Fehler bei dessen Auskunft aufzuklären (OLG München, Urteil vom 25.10.2005, Aktenzeichen 20 U 3198/06). Ein Beratungsgespräch darf sich nicht in Widerspruch zum Prospektinhalt setzen und muss den Kunden jedenfalls in groben Zügen von den im Prospekt geschilderten Risiken in Kenntnis setzen. Die Übergabe eines Prospektes ersetzt nicht eine ordnungsgemäße Beratung und kann nicht Mängel und Verharmlosungen des Anlagegesprächs ausgleichen (OLG Karlsruhe, Urteil v. 28.6.2006, Aktenzeichen 7 U 255/05). Der Umstand, dass der Prospekt Chancen und Risiken der Kapitalanlage hinreichend verdeutlicht (vgl. hierzu Senatsbeschluss vom 12. Januar 2006 – III ZR 407/04 – NJW-RR 2006, 770, 771 Rn. 7), ist selbstverständlich auch kein Freibrief für den Vermittler, Risiken abweichend hiervon darzustellen und mit seinen Erklärungen ein Bild zu zeichnen, das die Hinweise im Prospekt entwertet oder für die Entscheidungsbildung des Anlegers mindert. (BGH, Urteil vom 12.07.2007, Aktenzeichen III ZR 83/06). Einem konservativen Anleger ohne Fachwissen dürfen nur Anlagen empfohlen werden, bei denen Risiken weitgehend ausgeschlossen sind (OLG Nürnberg ZIP 1998, 380).

Zudem: „Sogar in den den Anlegern übergebenen Broschüren wurde oftmals nur der angeblich bestehende Sicherheitsaspekt betont, z.B. durch die Aussage: Absicherung inklusive: Rückzahlung zum Nennwert, und die Risiken oftmals verharmlost,“ so Späth.

Auch auf Rückvergütungen, sog. „Kickbacks“, wurden die Anleger oftmals nicht hingewiesen, das hätte aber laut BGH-Urteil aus dem Jahr 2006 geschehen müssen.

Teilweise Transparenzmängel in Prospekten

Schlimmer noch: In vielen Fällen war es teilweise den Geschädigten überhaupt nicht bewusst, dass sie Lehman-Brothers-Zertifikate erworben haben, und wurde von einigen Banken auch nur am Rande erwähnt, im Einzelnen:

Verkaufsprospekte der Frankfurter Sparkasse 1822 lassen teilweise Fragen offen
Zahlreichen Geschädigten, denen Lehman-Brothers-Zertifikate von der Frankfurter Sparkasse 1822 verkauft wurden, wurde im Prospekt suggeriert, dass es sich bei dem verkauften Produkt um ein Zertifikat der Frankfurter Sparkasse handeln würde und nur am Rande auf „Lehman-Brothers“ als Emittentin hingewiesen: Auf dem Deckblatt einiger Verkaufsprospekte steht der Name „Frankfurter Sparkasse 1822“ sowie „Der neue Star Bond – Das DAX-Bonuszertifikat -03/2008“ und auf der Rückseite der Prospekte erscheint der Hinweis „Produktkoordination Helaba, Landesbank Hessen Thüringen“ sowie „Sparkassen-Finanzgruppe“, erst auf Seite 8 erscheint im Kleingedruckten als Emittentin „Lehman Brothers Treasury Co. B.V.“. Viele Geschädigte berichten davon, dass ihnen auch im Verkaufsgespräch nicht mitgeteilt worden sei, dass Lehman-Brothers die Emittentin gewesen ist. „Kein Wunder, dass uns viele Betroffene mitteilen, und sie davon ausgegangen seien, dass die Frankfurter Sparkasse 1822 der Emittent ist,“ so Rechtsanwalt Dr. Walter Späth.

Verkaufsprospekte der „Cobold-Anleihen“ der DZ-Bank zeigen Schwachstellen hinsichtlich Transparenz
Die volle Wucht der Lehman-Brothers-Insolvenz bekommen auch Besitzer der sog. „Cobold-Anleihen“ der DZ-Banken zu spüren, deren Papiere durch die Insolvenz zum Teil ca. 90 % an Wert verloren haben. Diese Anleihen waren teilweise an mehrere verschiedene Basisunternehmen gekoppelt, so z.B. bei der DZ Bank Cobold Plus VIII Anleihe an Bear Stearns, Goldman Sachs, Lehman Brothers, Merill Lynch und Morgan Stanley. Oftmals berichten Betroffene davon, dass sie bei der Koppelung an 5 verschiedene Basisunternehmen davon ausgegangen sind, dass hier eine Risikostreuung erfolgen würde und sie auch bei der Insolvenz eines Referenzunternehmens nur einen kleinen Verlust zu verschmerzen hätten. „Auch hier hätte durchaus noch deutlicher darauf hingewiesen werden können, dass die Insolvenz eines einzigen Referenz-Unternehmens, nämlich Lehman-Brothers, bereits zu Kurseinbrüchen von ca. 90 % führen würde,“ so Rechtsanwalt Dr. Späth.

Verkaufsunterlagen von Dresdner Bank und Citibank zu Lehman-Zertifikaten teilweise oberflächlich
Mängel hinsichtlich der Transparenz zeigen sich nach Ansicht von Rohde & Späth leider auch bei diversen Lehman-Brothers-Zertifikaten, die von der Dresdner Bank, aber auch von der Citibank verkauft wurden:

Dresdner Bank: In einigen Fällen wurden die von der Dresdner Bank verkauften Lehman-Brothers-Zertifikate explizit nicht als „Lehman-Brothers“-Zertifikate bezeichnet, sondern als Zertifikate der Dresdner Bank, so z.B. als „Dresdner Bonus Express Zertifikat III“. Die den Kunden überlassenen schriftlichen Unterlagen sprechen teilweise ausdrücklich von: „Ein Investment im Dresdner Bonus Express Zertifikat III bietet die Chance auf…“, und erst bei der Kaufabrechnung wird teilweise ersichtlich, dass es sich um Lehman-Brothers-Zertifikate handeln sollte, was aber auch hier von den Anlegern teilweise übersehen wurde.

Citibank: Auch bei von der Citibank vertriebenen Papieren wird teilweise nicht sofort ersichtlich, dass Lehman Brothers Emittentin war, so z.B. bei einen Zertifikat, dass von der Citibank als „Topzins Zertifikat IV“ bezeichnet wurde, und auch in der Wertpapiersammelorder als „TopZins IV“-Zertifikat bezeichnet wurde, ohne auf Lehman Brothers als Emittentin hinzuweisen. Auch hier wurde in einigen Fällen erst in der Effekten-Abrechnung „Lehman BR“ angegeben, was ebenfalls Fragen offen lässt.

Großes Sicherheitsrisiko durch „White-Labeling“-Produkte
Es steht ganz klar zu befürchten, dass zahlreiche Zertifikate-Anleger noch überhaupt nicht wissen, dass ihre Anlage von der Insolvenz des US-Bankhauses Lehman-Brothers unmittelbar betroffen ist und ihnen herbe Verluste drohen, denn: Lehman hat nicht nur unter eigenem Namen Zertifikate ausgegeben, sondern auch im Auftrag kleinerer Banken und Sparkassen strukturierte Wertpapiere kreiert. Diese als „White-Labeling“ bezeichnete Praxis kann zur Folge haben, dass Anleger, ohne es zu wissen, Lehman-Zertifikate in ihrem Depot haben. „Hier ticken leider noch einige Zeitbomben im Depot zahlreicher Anleger, Zertifikate-Anleger sollten sich dringend bei ihrer Hausbank darüber informieren, wer denn nun der wirkliche Emittent ist, die Hausbank oder Lehman-Brothers,“ so Rechtsanwalt Dr. Späth.

Banken zur Aufklärung der Risikobereitschaft des Anlegers verpflichtet

Hierfür ist auch von Bedeutung, dass Kreditinstitute seit dem 01.01.1995 (sogar noch verstärkt seit Einführung der MiFid) gem. § 31 Abs. 2 WpHG bei der Durchführung von Wertpapierdienstleistungen von ihren Kunden Angaben über deren Erfahrungen oder Kenntnisse in derartigen Geschäften, über die mit diesen Geschäften verfolgten Ziele und über die finanziellen Verhältnisse des Kunden zu verlangen haben, so weit dies zur Wahrung der Kundeninteressen und im Hinblick auf Art und Umfang der beabsichtigten Geschäfte erforderlich ist. Zur Erleichterung der Einholung der nach § 31 Abs. 2 WpHG (Wertpapierhandelsgesetz) vor Erbringung einer Wertpapierdienstleistung erforderlichen Angaben wurde der sog. „WpHG-Erhebungsbogen“ entwickelt. Dieser Erhebungsbogen dient auch dem Kreditinstitut als Dokumentation und zur nachvollziehbaren Aufzeichnung der Kundenangaben.

Von Gerichten wurde dabei teilweise angenommen, dass der Kunde einen Anspruch gegen die Bank gemäß § 810 BGB i.V.m. § 242 BGB auf Herausgabe des Wertpapiererhebungsbogens gemäß § 31 WpHG hat (so z.B. das AG Charlottenburg in einem Urteil, Az. 215 C 300/05).

Keine Entschädigung über Einlagensicherung bei Zertifikaten

Die BaFin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, hat zwar Ende Oktober 2008 den Entschädigungsfall für die Lehman Brothers Bankhaus AG festgestellt. Leider zeigt sich, dass diese Tatsache, die zunächst Hoffnungen wecken mag, den Geschädigten von Lehman Brothers-Zertifikaten nichts bringt, da die Zertifikate von der US-amerikanischen Muttergesellschaft oder ausländischen Tochtergesellschaften von Lehman Brothers ausgegeben wurden. Zertifikate unterliegen auch generell nicht der deutschen Einlagensicherung. „Dies wurde vielen Anlegern aber nicht mitgeteilt, sondern diese teilweise in dem Glauben gelassen, dass ihre Anlage wenigstens in Höhe von 20.000,- € geschützt sei,“ so Rechtsanwalt Dr. Walter Späth. Eine Entschädigung über die Einlagensicherung ist somit nicht möglich.

Verjährung berücksichtigen

Auch aus einem anderen Grund sollten Geschädigte umgehend ihre Schadensersatzansprüche überprüfen lassen: In manchen Fällen droht Verjährung! Die meisten Lehman-Zertifikate wurden zwar in den Jahren 2007 bis 2008 an die Anleger verkauft wurden, so dass noch keine akuten Probleme drohen. Doch Vorsicht, nicht in allen Fällen ist das so: Vereinzelt sind bei Rohde & Späth inzwischen auch Fälle aufgetaucht, in denen die Zertifikate bereits im Jahr 2005 oder Anfang 2006 verkauft wurden, so z.B. bei der „TreasurePlusAnleihe 2005“ von Lehman Brothers. „Aufgrund der Vorschrift des § 37a WpHG droht daher in Einzelfällen akute Verjährung, da die Verjährung hier bereits nach drei Jahren eintritt, und zwar nicht erst am Jahresende,“ so Rechtsanwalt Dr. Walter Späth.

Dr. Späth Rechtsanwälte fordern daher auch eine Verlängerung der Verjährungsfrist auf mindestens 5, eher sogar 10 Jahre, hier ist eine Verbesserung des Anlegerschutzes unbedingt erforderlich. „In vielen Fällen werden geschädigten Anlegern berechtigte Ansprüche versagt, weil ihre Ansprüche bereits verjährt sind, ohne dass sie überhaupt die Möglichkeit hätten, festzustellen, ob denn nun ein Schaden entstanden ist,“ so Dr. Späth. Dies muss sich dringend ändern, um einen wirksamen Anlegerschutz in Deutschland zu gewährleisten.